Ist dir koscher wichtig?
Ist dir koscher wichtig?
Essen ist Ausdruck von Identität, und jüdische Lebensweise ist kaum möglich, ohne sich mit den rituellen Speisevorschriften auseinanderzusetzen. Die Regeln für koscheres Essen sind sehr umfangreich und sie wirken tief in den Alltag hinein. Darum wundert es nicht, dass es ein weites Spektrum von religiösen, ethischen und ökologischen Antworten darauf gibt, welchen Koscherstandard man selbst lebt.
Alles Leben ist heilig, auch das von Pflanzen, Tieren und der gesamten natürlichen Umwelt. Da diese Lebewesen aber gleichzeitig benötigt werden, um Leben aufrechtzuerhalten, ist es nur logisch, dass Fragen der Ernährung Bestandteil eines religiösen Weltkonzepts sind. „Koscher“ bedeutet „tauglich“, also für den jüdischen Lebensvollzug geeignet. Diese Vorstellung erstreckt sich auch auf Rituale und Gegenstände, aber am geläufigsten ist dieser Begriff in Bezug auf die Speisevorschriften.
Die Regeln über die Zubereitung und den Verzehr von koscherem Essen sind ziemlich umfangreich. Nahrung dient nicht allein der körperlichen Reproduktion, sondern ist Teil der Heiligung eines jeden Lebensbereichs. Die Gebote und die Verbote hinsichtlich des Essens dienen dazu, ein Bewusstsein für unsere Ernährung zu schaffen und so auch all das, was in den Mund hineingeht, zu einem Aspekt von Heiligkeit im Alltag zu machen. Mitunter werden Hygienegründe herangezogen, um die Kaschrutregeln zu erläutern, aber sie geben eigentlich keine zureichende Erklärung ab.
Pflanzliche Produkte sind generell erlaubt, darum kommt eine vegane Ernährung kaum in Konflikt mit den Kaschrutvorschriften. Komplizierter wird es hinsichtlich tierischer Lebensmittel. Sofern es sich um Säugetiere handelt, müssen sie gespaltene Hufe haben und Wiederkäuer sein. Nur Tiere, die diese beiden Merkmale aufweisen, sind zum Verzehr geeignet (also: Rind, Schafe, Ziegen; unter Umständen auch Rot- und Damwild). Koschere Fische müssen Schuppen und Flossen haben, andere im Wasser lebende Tiere (z.B. Meeresfrüchte, Garnelen, Tintenfisch) sind nicht gestattet. Bei Geflügel listet die Torah verschiedene essbare Arten auf, dazu gehören Hühner, Pute, Ente, Gans, Taube. Allerdings genügt es nicht, auf die Auswahl der Tiere zu achten – da der Verzehr von Blut streng verboten ist (es symbolisiert das Leben) müssen sie auch koscher geschlachtet werden. Das nennt man Schächten, die Tötung erfolgt durch einen schnellen Schnitt durch Halsschlagader, Luft- und Speiseröhre. In den letzten zwanzig Jahren wird die Idee von „Ökokaschrut“ diskutiert, d.h. zusätzlich zu den traditionellen Speisevorschriften sollen auch Aspekte biologischer Landwirtschaft berücksichtigt werden. Es geht also nicht nur darum, wie ein Tier geschlachtet wird, sondern auch darum, wie es zuvor gelebt hat. Fragen von ökologischer Verantwortung, artgerechter Tierhaltung, schonende Tiertransporte u.ä. werden so Teil der Heiligung von Leben, die ja das Ziel der Kaschrutregeln sind.
In der Zubereitung von koscherem Essen muss auch die Trennung von Fleisch- und Milchprodukten beachtet werden. Beide kommen nicht zusammen auf den Teller, es wird sogar eine längere, teils mehrstündige Pause zwischen Fleisch- und Milchgerichten eingelegt, ein koscherer Haushalt hat auch eigenes Geschirr (Töpfe, Teller, Besteck) für beide Speisearten. Die Herstellung von koscherem Nahrungsmitteln in einer Fabrik oder die Essenszubereitung in einem koscheren Restaurant wird von einem Maschgiach, einem rabbinischen Kontrolleur, beaufsichtigt. Dann wird ein Kaschrutzertifikat (umgangssprachlich: „Koscherzeugnis“) ausgestellt, das auf Verpackungen aufgedruckt oder in den Räumen aufgehängt wird.
Koscher essen ist ein wichtiger Ausdruck jüdischer Identität, aber es gibt unterschiedliche Standards, die Juden und Jüdinnen in ihrem Leben praktizieren. Wer auf Kaschrut Wert legt, ist oft ein Experte in E-Nummern und im Lesen von Zutatenlisten. Streng Orthodoxe kaufen ausschließlich Produkte mit rabbinischem Stempel (Hechscher), frisches Obst und Gemüse und gehen nur in koschere Restaurants. Andere ernähren sich grundsätzlich vegetarisch oder wenigstens in nichtkoscheren Kantinen und Gaststätten. Manche verzichten nur auf Schweinefleisch. In Gemeindeküchen, in jüdischen Altersheimen, Schulen oder Kindergärten, wird nur koscheres oder vegetarisches Essen serviert.