Ist Umweltschutz ein jüdisches Thema?
Ist Umweltschutz ein jüdisches Thema?
Nach der biblischen Schöpfungserzählung gab Gott den Menschen als Bestimmung mit, Verantwortung für die Umwelt zu übernehmen: „Und Gott, der Ewige, nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, um ihn zu bearbeiten und zu bewahren“ (Gen 2,15). Der Auftrag zum Schutz der Natur, von Pflanze und Tier geht jedoch einher mit einer hierarchischen Vorstellung, die Menschen leichtfertig als Rechtfertigung heranziehen, um rücksichtslos die natürliche Umwelt auszubeuten. Welche Konzepte bietet die jüdische Tradition für ökologische Fragen?
Am Schabbat sind Jüdinnen und Juden aufgefordert, es Gott nachzumachen und am siebten Tag der Woche zu ruhen, keine schöpferische Arbeit zu verrichten, nicht die Welt zu verändern. Dieser Tag gehört dem Genießen dessen, was bereits getan wurde. Viele Gebete und Lieder beschreiben die Schönheit der Natur: Berge, Täler, Meere, Bäume, Gräser, Vögel, Fische und andere Tiere, die Sterne, das Licht von Sonne und Mond.
Und doch war Ökologie nie ein sehr zentrales Thema im jüdischen Denken. Ein Grund dafür ist, dass die Römer Juden aus dem Land Israel vertrieben. Als Folge davon lebte das jüdische Volk über fast 2.000 Jahre überwiegend im Exil, meist in Städten, denn in Europa und im Nahen Osten durften Juden keinen Grund und Boden erwerben. So waren Landwirtschaft und Naturverbundenheit nur Randthemen jüdischen Lebens. Erst mit den zionistischen Pionieren im 19. Jahrhundert begann wieder das Pflanzen und das Säen.
Die Anregung zur Beschäftigung mit Ökologie ist eng verknüpft mit der allgemeinen Umweltbewegung seit den achtziger Jahren. Durch die Verknüpfung mit jüdischen Quellen und Begründungen aber wird dieses Engagement zu einem Teil der eigenen Tradition gemacht. Besonders sichtbar wird das am Feld der „Ökokaschrut“: die traditionellen Regeln und Halachot zu koscherem Essen werden im Sinne des Tikkun Olam erweitert. Wenn es um koscheres Fleisch geht, ist eben nicht allein entscheidend, wie das Tier geschlachtet wird, um das Blut zu entfernen. Vielmehr geraten nun auch die Umstände in Blick, unter denen das Tier vor der Schlachtung gelebt hat – also artgerechte Tierhaltung, ausreichender Auslauf, die Futterbestandteile, die Gestaltung der Viehtransporte. Im Grunde genommen handelt es sich um eine Verbindung von traditioneller Kaschrut mit modernen Biostandards. Das Verbot der Tierquälerei („Za’ar Baalej Chajim“) findet zum Beispiel hierbei Anwendung. Auch Abfallvermeidung und Recycling werden als Beitrag zur Bewahrung der Schöpfung verstanden – die Verwendung von Plastikgeschirr bei Gemeindeveranstaltungen kann heutzutage leidenschaftliche Diskussionen auslösen. Und doch ist Klimaschutz ein ureigenstes jüdisches Anliegen als Auftrag zur Bewahrung der Schöpfung. Im Staat Israel verstehen Umweltschützer ihr Engagement als ein zentrales zionistisches Anliegen, haben es deshalb aber auch nicht leichter, Gehör zu finden. Genauso wie Aktivistinnen und Mitstreiter an anderen Orten der Welt müssen auch sie gegen ökonomische und politische Widerstände wie auch gegen die Bequemlichkeit der Einzelnen kämpfen. Es gibt zahlreiche Ökokibbutzim, Umweltorganisationen und Naturschutzinitiativen in Israel, die sehr aktiv sind.