Tobias Jakobovits
(Lakompak/Lackenbach 1887 - Auschwitz 1944)
Eine Ausstellung zur Erinnerung an Dr. Tobias Jakobovits
Der in der Bibliothek der Hochschule für Jüdische Studien aufbewahrte Nachlass des Rabbiners Emil Davidovič umfasst unter anderem zwei große NS-Raubgutbestände: Bücher von Internierten des Lagers Theresienstadt und beschlagnahmte Bücher, die unter Zwang im Jüdischen Museum Prag während der deutschen Okkupation katalogisiert worden waren.
Die im Foyer der Hochschule ausgestellten Bände waren Eigentum des Rabbiners Dr. Tobias Jakobovits. Ab 1912 war er Assistent und ab 1922 Oberbibliothekar in der Bibliothek der Jüdischen Gemeinde Prag. In seinen Forschungen beschäftigte er sich intensiv mit der Geschichte der jüdischen Bevölkerung in Böhmen und insbesondere in Prag. Daneben betrieb und veröffentlichte er genealogische Studien, unter anderem zu den Vorfahren Max Brods. Seiner akribischen Arbeitsweise bei der Katalogisierung verdanken wir unschätzbare Hinweise auf die Provenienzen unserer Bücher. Jakobovits fungierte ab 1942 als wissenschaftlicher Leiter des Jüdischen Museums Prag, das unter den Nationalsozialisten tausendfach beschlagnahmte Objekte aufnahm – Ritualgegenstände aus Synagogen, Gemeindeakten, Fotos, Gemälde und vor allem Bücher.
Die noch heute in Prag erhaltenen Zugangslisten ermöglichen es uns, viele ursprüngliche Eigentümerinnen und Eigentümer zuzuordnen. Es lässt sich nicht mehr nachvollziehen, welchen Einfluss Jakobovits auf die Vorstellungen der Besatzer von einem Jüdischen Museum hatte. Aus seinen Aktennotizen geht hervor, dass er in dieser Zeit mindestens eine Bücherausstellung kuratierte und dass er sich für die weitere öffentliche Nutzung der Bibliothek, die die Gestapo versiegelt hatte, aussprach. Es ist wohl auch seinem diplomatischen Geschick zu verdanken, dass die deutschen Behörden davon überzeugt wurden, jüdisches Kulturgut an zentraler Stelle zu sammeln, sodass letztendlich vieles davon noch heute erhalten ist.
Hunderte seiner privaten Bücher überließ er dem Prager Jüdischen Museum, bevor er im Oktober 1944 mit seiner Frau Bertha in den letzten Transport aus dem „Protektorat“ nach Auschwitz gezwungen wurde.
Bereits 1937 und 1939 hatte das Ehepaar seine beiden noch minderjährigen Söhne nach Palästina geschickt, die dort überlebten und Familien gründeten. Wir konnten sie ausfindig machen und eine für November 2023 geplante Übergabe der Bücher musste wegen der aktuellen Ereignisse abgesagt werden. Die Nachkommen erklärten sich bereit, dass wir die Situation zum Anlass nehmen, anhand der Bücher die Erinnerung an Familie Jakobovits wachzuhalten.
Nach der Rückgabe der Bücher werden hier weitere Informationen über Tobias Jakobovits und seine Familie veröffentlicht. Unter den Büchern befinden sich auch Exemplare aus dem Besitz des Berliner Rabbiners Markus Petuchowski - er war der Schwiegervater von Tobias Jakobovits.
(Text: Ph. Zschommler)