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Friedrich/Bedřich Knöpfelmacher

(Prag 1867 - Theresienstadt 1944)


Im letzten Band des Jahrbuches Ha-Asif – hebr. „Die Ernte“, in Warschau herausgegeben von Nahum Sokolov - finden sich mehrere Hinweise, die es uns ermöglichen, den Eigentümer eindeutig zu bestimmen. Es handelt sich um den Rabbiner und Lehrer Friedrich/Bedřich Knöpfelmacher. Nach Auskunft der hebräischen Notiz, die Knöpfelmacher im Buch hinterlassen hat, erhielt er es von seinem Vater Salomon Knöpfelmacher, der ebenfalls Lehrer und Rabbiner war. 

Die Quellen, mit denen wir Friedrich Knöpfelmachers Lebensweg nachzeichnen können, sind spärlich und doch geben sie einen Eindruck von seinem engagierten Wirken vor allem als Religionspädagoge. 

Knöpfelmacher wurde im Prager Jüdischen Ghetto geboren und erlebte die von der Stadtverwaltung erzwungene Assanierung des Viertels in den Jahren vor und nach 1900. Bereits sein Vater war dort als Rabbiner tätig und lehrte zudem Religion an Prager Mittelschulen. Wo Knöpfelmacher seine Ausbildung erhielt, ließ sich bisher nicht feststellen – auch scheint es, dass er zum Studium an einer Universität eingeschrieben war, dies aber nicht mit der geplanten Promotion abschloss. Im Laufe seines Berufslebens war er an mehreren Orten Böhmens und in Prag tätig, sowohl im schulischen Bereich (in Golčův Jeníkov/Goltsch-Jenikau, Litomyšl/Leitomischl, Lanškroun/Landskron, Zbraslav) aber auch als Gemeinderabbiner (in Nové Strašecí/Neu Straschitz, Liteň/Litten). In Prag selbst fungierte er offensichtlich als Rabbiner in der Maisel-Synagoge und zudem als Prediger der Prager Chewra Kadischa und Prediger des Vereins „Or-Tomid“. Das Ziel dieses Vereins war die Kultivierung der tschechischen und hebräischen Sprache im Gottesdienst. Daneben fungierte er als Geschäftsleiter des „Verbandes der israelitischen Religionslehrer an den Mittelschulen Böhmens“, in dem sein Vater auch aktiv gewesen war, sowie im Verein „Afike Jehuda“ (Verein zur Verbreitung der Wissenschaft des Judentums). Letzterer wurde im Jahr 1869 gegründet und trägt den Namen des Prager Gelehrten Rabbiner Jehuda Teweles. Die Verbindung von Friedrich Knöpfelmacher zu diesem Verein ist kein Zufall – sein Vater Salomon war ein Schüler und Schwiegersohn des Rabbiners Teweles. Daneben, so die Quellen, war Knöpfelmacher im Vorstand der „Gesellschaft zur Förderung der hebräischen Sprache und Literatur“ und des „Israelitischen Fortbildungsvereins“. In einem Artikel von 1914/15 sprach er sich für die Reform des Hebräischunterrichts aus. Seiner Ansicht nach sollte sich der Umgang mit dem Hebräischen in Schulen keiner modernen sprachwissenschaftlichen Methoden bedienen, sondern den biblischen Text samt seiner Auslegungen zu Grunde legen. Das Textverständnis würde sich durch ständige Wiederholung und der Ausrichtung am Jahresverlauf der synagogalen Liturgie von selbst ergeben. Wie und ob Knöpfelmacher seine Ideen im Unterricht einsetzte, wissen wir nicht – seine Kritik an den zeitgenössischen hebräischen Lehrbüchern war vermutlich auch der Auslöser, dass er selbst ein Lehrbuch (תורת דת מורשה von Nathan Grün) für den tschechischsprachigen Unterricht bearbeitet und veröffentlicht hatte. Es erscheint im Jahr 1926 auf einer Liste der vom Ministerium für Schulwesen zugelassenen Lehrmaterialien. In Prag erteilte Knöpfelmacher nachweislich in der Amerling-Schule Religions- und Hebräischunterricht sowie an der Minerva-Schule, dem ersten Mädchengymnasium in Österreich-Ungarn. Darüber hinaus beteiligte sich Knöpfelmacher über viele Jahre an der Redaktion des Tschechisch-Jüdischen Kalenders (Kalendář česko-židovský), der vom „Verein tschechisch-jüdischer Akademiker“ (Spolek českých akademiků-židů) herausgegeben wurde. Knöpfelmacher war hier für die Zusammenstellung des Kalenderteiles zuständig. 

Im Jahr 1931 starb Friedrich Knöpfelmachers Ehefrau Maylda/Mathilda geb. Pereles. Geheiratet hatten die beiden 1893 in Nové Strašecí/Neu Straschitz. Die unterschiedlichen Geburtsorte ihrer gemeinsamen Kinder zeugen von den häufigen Ortswechseln, die das Ehepaar auf sich nahm. Von den Kindern, die das Ehepaar hatte, konnten diese ermittelt werden:

  • Richard, geboren 1894, er starb bereits 1921
  • 1895-1942 Anežka/Agnes, 1942 in Riga ermordet, gemeinsam mit ihrer Tochter Edita Zeckendorf (geb. 1923)
  • 1897-1944 Karel/Karl, geboren 1897,  1944 in Auschwitz ermordet, Vater von Eva Knöpfelmacher (geboren 1927, wenige Tage nach ihrem Vater nach Auschwitz verschleppt und ermordet)
  • Rudolf Egon, geboren 1898, in der Meldeliste des Jahres 1903 taucht er nicht mehr auf und verstarb wohl im Kindesalter
  • Jindřich/Harry, geboren 1900, gestorben 1968 in Dublin als Harold Cantor
  • Geburt eines Kindes im Jahr 1904, das wenige Tage nach der Geburt verstarb

Friedrich Knöpfelmacher lebte zuletzt gemeinsam mit seinem Sohn Karl und seiner Familie in der Truhlářská/Tischlergasse 1105/11. Von dort wurde er im Alter von 75 Jahren nach Theresienstadt verschleppt, wo er im April 1944 zu Tode kam. 

Von Mathilda und Friedrich Knöpfelmachers direkten Nachkommen erlebte lediglich Harry das Kriegsende: Nach seinem Einsatz im Ersten Weltkrieg siedelte er nach Irland über, wo er im Jahr 1920 heiratete. Dort nahm er den Namen Harold Cantor an und gründete eine Familie, deren Nachkommen wir das in Heidelberg identifizierte Buch übergeben konnten. 

Auf die Frage, wie das Buch nach 1945 ins Prager Jüdische Museum und über den Rabbiner Emil Davidovič schließlich nach Heidelberg gelangte, gibt es zwei mögliche Antworten: 1) Friedrich Knöpfelmacher hatte das Buch bei sich, als er nach Theresienstadt verschleppt wurde. Nach seinem Tod und nach der Befreiung des Lagers ein Jahr später war das Buch Teil des riesigen Bestandes an Büchern, die sich dort angesammelt hatten. Die Bücher wurden später nach Prag gebracht und viele davon im Jüdischen Museum deponiert. 2) Friedrich Knöpfelmacher übergab seine Bibliothek – oder Teile davon – dem Jüdischen Museum, in der Hoffnung, dass sie dort gut aufgehoben sind. Tatsächlich existiert dort noch heute eine Zusammenstellung von zwei Seiten (S.4f.) mit Buchtiteln, die mit „Prag-Knöpfelmacher“ betitelt sind. Dass es sich hier um Friedrich Knöpfelmacher handelt, ist sehr naheliegend. Der Band von Ha-Asif ist unter den Titeln nicht aufgeführt aber am Ende der Liste ist von weiteren 5 Bücherpaketen die Rede. Möglicherweise war das Buch in einem dieser Pakete enthalten. Die Kürzel der Bearbeiter der Listen (WN und TW) deuten auf Moses Woskin-Nahartabi und seine Tochter Tamara Woskin, die selbst auch Bücher im Museum hinterlegten, bevor sie in den Tod geschickt wurden. 


Ausgewählte Quellen


Meldeunterlagen der Stadt Prag:

https://katalog.ahmp.cz/pragapublica/permalink?xid=9CC103ED9BDE11E0815C002215111B5A&scan=1#scan1 (Salomon Knöpfelmacher)

http://katalog.ahmp.cz/pragapublica/permalink?xid=411BFBAD9BDC11E0815C002215111B5A&scan=1#scan1 (Friedrich Knöpfelmacher)

Aufenthaltstitel der Stadt Prag: 

http://digi.nacr.cz/prihlasky2/index.php?action=link&ref=czarch:CZ-100000010:874&karton=274&folium=242 (Salomon Knöpfelmacher)

http://digi.nacr.cz/prihlasky2/index.php?action=link&ref=czarch:CZ-100000010:874&karton=274&folium=243 (Salomon Knöpfelmacher)

http://digi.nacr.cz/prihlasky2/index.php?action=link&ref=czarch:CZ-100000010:874&karton=274&folium=238 (Friedrich Knöpfelmacher)

https://digi.nacr.cz/prihlasky2/?session=8fa2e751099292071a18aa50d3089bff2b69566bfbbf34b5374dee5bc52101c5&action=image&record=1 (Friedrich Knöpfelmacher)



(Text: Ph. Zschommler)