Was bedeutet Schabbat für dich?
Was bedeutet Schabbat für dich?
Ist das Konzept des Schabbat nicht anachronistisch in unserer atemlosen Welt, wo es kaum noch Pausen gibt, wir jederzeit und überall erreichbar sind?
Das erste, was in der Bibel heilig genannt wird, ist ein Aspekt von Zeit: „Und Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn, weil er an ihm ruhte von allen seinen Werken, die Gott geschaffen und gemacht hatte“ (Gen 2, 3). Die ersten sechs Schöpfungstage fand Gott „gut“, aber den siebenten Tag erklärte er für heilig. Heiligkeit ist also ein Konzept, dass zuerst auf Zeit angewendet wird.
Die hebräische Grundbedeutung des Wortes „heilig“ („kadosch“) meint „abgetrennt, unterschieden sein“. Der Fluss der Zeit wird gegliedert, indem besondere Zeiten darin abgehoben werden von den übrigen Tagen. Die Unterscheidung in Alltag und in herausgehobene Tage, die diesen durchbrechen, gibt es auch in Bezug auf Feiertage, und zwar wohl in allen Religionen und Kulturen. Aber Kalender - und mit ihnen auch die Bestimmung von Feiertagen - folgen den Gestirnen, ihren Bahnen im Sonnensystem und ihrer Sichtbarkeit von der Erde aus. Dementsprechend haben Menschen das Datum der jeweiligen Feiertage berechnet. Hingegen ist der Schabbat als der siebente Schöpfungstag völlig unabhängig von den Gestirnen. Er ist nach biblischem Zeugnis von Gott gesetzt, und er ist im besten Sinne universal, nämlich hinsichtlich der Schöpfungsvorstellung das ganze Universum umfassend. Das begründet die besondere Heiligkeit des Schabbats.
Diese Einteilung der Woche in sieben Tage wurde prägend für viele andere Religionen und Kulturen. Auch das Konzept von Ruhetag oder „Wochenende“ geht auf den Schabbat zurück. Nach jüdischer Vorstellung ist kein Privileg gutsituierter Menschen, alle sollen sich der Schabbatruhe erfreuen können: Kinder, Sklaven, Vieh, Fremde. Alle Haushaltsgenossen, gleich ob jüdisch oder nicht, ob Mensch oder Nutztier, haben Anspruch auf Ruhe und Erholung am siebenten Tag der Woche. In den Zehn Geboten heißt es:
Gedenke des Schabbattages, dass du ihn heiligst. Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun. Aber am siebenten Tag ist der Schabbat des Ewigen, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun, auch nicht dein Sohn, deine Tochter, dein Knecht, deine Magd, dein Vieh, auch nicht dein Fremdling, der in deiner Stadt lebt. Denn in sechs Tagen hat der Ewige Himmel und Erde gemacht und das Meer und alles, was darinnen ist, und ruhte am siebenten Tag. Darum segnete der Ewige den Schabbattag und heiligte ihn. (Ex 20, 8-11)
Die davon abweichende Textfassung der Zehn Gebote im Fünften Buch Mose, Kapitel 5, betont dagegen die Befreiung aus der Knechtschaft Ägyptens als Ausgangspunkt für den Schabbat. So wie Israel aus dieser Versklavung erlöst wurde, sollen alle Geschöpfe an diesem Tag Freiheit erfahren. Hier steht also nicht die Schöpfungsgeschichte im Vordergrund, sondern die alle sieben Tage zu wiederholende Erfahrung von Frei-Werden.
Wenigstens für einen Tag geben Menschen ihren Anspruch auf Ausübung von Kontrolle und Herrschaft über andere Menschen und über die Natur auf. Die Schabbatruhe meint also nicht vorrangig Faulenzen, sondern Freiheit und die Hingabe an andere Formen des aktiven Seins. So ist es Zweck des Schabbats, Zeit für andere Aktivitäten zu gewähren, die unter der Woche vernachlässigt werden. Für viele bedeutet das konkret, Zeit mit der Familie zu verbringen, Gemeindegottesdienste in der Synagoge zu besuchen und sich dem Torahstudium hinzugeben.