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Im Kleinen ganz groß

Pressemitteilung

Hoher Besuch wirkt stets etwas zurückhaltend oder abwartend, wenn er die Sicherheitspforte der Hochschule für Jüdische Studien (HfJS) in der Heidelberger Landfriedstraße passiert hat. Diese Unsicherheit weicht jedoch schnell einem Gefühl des Willkommenseins in diesem kleinen akademischen Kosmos. So erging es auch Ministerin Petra Olschowski, die sich begeistert zeigte vom herzlichen Miteinander. Während ihres Besuchs der Hochschule am Donnerstagmorgen erfuhr sie, dass die HfJS heute mit über 100 eigenen Studierenden und mindestens genauso viel Teilnehmenden in Programmen der Universität, sowie 20 Dozierenden europaweit die größte Einrichtung ihrer Art ist, und auch über ein gemeinsames Promotionsrecht mit der Universität Heidelberg verfügt. Das Spektrum der Lehrstühle reicht von Bibel und Talmud über Geschichte, Philosophie, Literaturen, Kunst und Sprachwissenschaft bis hin zu den Israel- und Nahoststudien.

Wissenschaftsministerin Petra Olschowski betonte: „Die Hochschule für Jüdische Studien ist in ihrer Struktur und Ausrichtung einzigartig in Deutschland. Kein anderer Ort bietet Studierenden und Forschenden eine so umfassende und intensive Beschäftigung und wissenschaftliche Auseinandersetzung mit allen Facetten jüdischer Religion, Geschichte, Kulturen und Gesellschaften. Die Landesregierung ist dankbar, dass Baden-Württemberg Sitzland dieser wichtigen Hochschule ist!“


„Wir profitieren vom Kleinen im Großen,“ so Rektor Professor Dr. Werner Arnold. „Fernab von der Anonymität großer Einrichtungen geht es bei uns um ein tägliches Miteinander, während unsere Studierenden gleichzeitig von den vielen Kooperationen mit ausländischen akademischen Einrichtungen und nicht zuletzt der Universität Heidelberg schöpfen können.“

Interessiert zeigte sich Olschowski auch gegenüber den Erfahrungen des Campus-Rabbiners Shaul Friberg. Er ist bereits seit 2008 an der HfJS tätig, und seine monatlichen Schabbat-Feiern sind mittlerweile so beliebt, dass er um Anmeldungen bereits im Voraus bitten muss, um die Räumlichkeiten nicht zu sprengen.

Nach einem ausführlichen Gespräch mit Studierenden und zum Abschluss des Besuchs erläuterten zwei Professorinnen ihre aktuellen Forschungsprojekte, die neue Perspektiven und Ansätze für ein breites Spektrum an Fachrichtungen bieten.

Professorin Dr. Hanna Liss stellte zwei Editions-Langzeitprojekte vor und erklärte ihre Einbindung in den Bereich der Digital Jewish Studies und Digital Humanities. Das erste Projekt beschäftigt sich mit der masoretischen Glossierung nordfranzösischer und deutscher mittelalterlicher Bibelmanuskripte und dem an ihnen erkennbaren Einfluss christlicher Buchmalerei und Architektur. Das zweite Projekt bearbeitet hebräisch-französische Bibelglossare als exzeptionelle Zeugen für eine sich zeitgleich entwickelnde (jüdische und christliche) französische (Bibel-)Lesekultur im mittelalterlichen Westeuropa. Die hier gezeitigten Ergebnisse werfen schon jetzt ein neues Licht auf die europäische Geschichte des Bibeltextes und seiner jüdischen Auslegung und liefern wichtige wissenschaftliche Impulse nicht nur für die Jüdischen Studien, sondern auch für die verschiedenen Theologien, die mittelalterliche Kunstgeschichte sowie die mittelalterliche Wissensgeschichte.

Um das Thema „Blut“ geht es bei dem Forschungsprojekt von Rabbinerin Prof. Dr. Birgit Klein: „´Blut ist ein ganz besonderer Saft!´ – Medizinische, historische und ethisch-religiöse Betrachtungen aus Sicht des Judentums“, das sie gemeinsam mit ihrem Projektpartner, dem Hämatologen und Onkologen Prof. Dr. Michael Schmitt, am Marsilius-Kolleg der Universität Heidelberg durchführt. Seit dem Ende der kultischen Opfer infolge der Tempelzerstörung 70 n. chr. Z. habe im Judentum das Blut seine rituelle Funktion verloren. Nachweislich seit dem Spätmittelalter sei Blut therapeutisch als Heilmittel in einer Weise eingesetzt worden, die nach heutiger Kenntnis als medizinisch gerechtfertigt zu beurteilen ist. Wie Klein betonte, sei es daher aus jüdischer Perspektive vertretbar, wenn gentechnisch veränderte T-Zellen und Stammzellen aus Blutpräparaten zur Behandlung von Leukämie und anderen Krebserkrankungen eingesetzt würden, so an der Universität Heidelberg durch den Projektpartner. Der interdisziplinäre Ansatz des Projektes ermögliche es auch, die ethisch-religiösen Implikationen im Umgang mit Blutprodukten, Transplantation und Gentechnik zu erörtern.