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Erna Meyer und das moderne Heim

Dr. Erna Meyer (Meir, 1890 Berlin–1975 Haifa) war die einflussreichste Haushaltsreformerin des Neuen Haushalts in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ihr Werk prägten zentrale Konzepte der modernen Wohnungsplanung. Sie verbreitete ihre Ideen in der breiten Öffentlichkeit, wurde zu einer bedeutenden Protagonistin des Neuen Wohnens und nimmt bis heute, eine zentrale Stellung in der Geschichte der modernen Küchenplanung ein.

Meyer wurde in Berlin in eine bourgeoise, assimilierte jüdische Familie geboren. Zwischen 1908 und 1913 studierte sie als eine der ersten Frauen Nationalökonomie an der heutigen Humboldt Universität Berlin und schloss ihr Studium mit einer Dissertation ab, die auf dem Haushaltsbuch ihres Vaters basierte. Ihren Durchbruch erzielte sie 1926 mit der Veröffentlichung des Buches Der neue Haushalt, das zwischen 1926-1932 in 42 Auflagen erschien. In diesem Werk präsentierte sie Konzepte der rationalen Arbeitsorganisation zur Erleichterung der Hausarbeit und betonte die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen Architekten und Hausfrauen für das Entwerfen zeitgemäßer moderner Wohnräume.

Zwischen 1929 und 1933 gab Meyer überdies die interdisziplinäre Monatsschrift Neue Hauswirtschaft heraus, die als ganz eigenes Genre weder als reine Frauen- noch als reine Architekturzeitschrift, Artikel von Expert:innen unterschiedlicher Disziplinen wie Politikwissenschaft, Psychologie, Ökonomie und Sozialarbeit, versammelte. Darüber hinaus veröffentlichte sie zahlreiche Beiträge in Architektur- Fach- und Frauenzeitschriften, beriet führende moderne Architekten wie Ludwig Mies van der Rohe, Walter Gropius und J. J. P. Oud und auch erfolgreicher Möbelhersteller. Sie war an mehreren Küchenentwürfen federführend beteiligt und war aktives Mitglied der Reichsforschungsgesellschaft für Wirtschaftlichkeit im Bau- und Wohnungswesen (RFG). Erna Meyer präsentierte ihre Ideen auf bedeutenden Ausstellungen der Weimarer Republik zum modernen Wohnen, darunter die Werkbundausstellung Die Wohnung (Stuttgart 1927), die Ausstellung Heim und Technik (München 1928) und Ausstellung im Gewerbemuseum Basel Die praktische Küche (1930).

Als der Thienemann Verlag 1933 der Jüdin Erna Meyer die Herausgeberschaft der von ihr initiierten und bis dahin geleiteten Zeitschrift entzog, emigrierte sie im Dezember in das britische Mandatsgebiet Palästina. Die 1930er-Jahre gelten als ihre einflussreichste Schaffensperiode im Exil. Trotz Beratungs- und Lehrtätigkeiten für Organisationen wie WIZO (Women’s International Zionist Organization) und die Palestine Electric Corporation (PEC) konnte sie jedoch keine vergleichbare institutionelle Stellung wie in Deutschland erlangen. Im Laufe der Zeit geriet ihr Werk zunehmend in Vergessenheit.


Das deutsch-israelische Forschungsprojekt untersucht Meyers Tätigkeit im britischen Mandatsgebiet Palästina/ Israel nun erstmals als direkte Fortsetzung ihrer Karriere und ihres wissenschaftlichen Ansehens in Deutschland. Es beleuchtet ihren Beitrag zur Entwicklung des modernen Wohnens in beiden Ländern unter Berücksichtigung sozio-kultureller Fragen, ihrer jüdischen Identität, nationaler Zugehörigkeit sowie der Wechselbeziehungen zwischen Architektur, Technologie und Geschlecht. Ziel der Untersuchung ist es, Meyers Leistungen sichtbar zu machen und sie einzuführen in die Historiografie der lokalen und internationalen Moderne

Die Studie ist eine Zusammenarbeit mit Dr. Sigal Davidi und Dr. Irene Aue-Ben-David, Leo Baeck Institute Jerusalem.

Projektleitung: Rektor Dr. Andreas Brämer

Wissenschaftliche Projektmitarbeiterin: Dr. Laura Altmann